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#8 – Sind wir bewegte Hochhäuser?

Natürlich sind wir keine bewegten Hochhäuser. Aber mit diesem Gleichnis lässt sich ein wunderbarer Blick in unsere innere Organisation werden.

In einem fertig gebauten, bewohnten Hochhaus ist ganz schön was los. Denken wir in groben Kategorien, so braucht es: Wasser, Abwasser, Müllschlucker, Fahrstuhl, Fluchttreppen und -wege, Belüftung, Heizung, Strom, Beleuchtung und Telefonie. Das klingt nach vielen Versorgungsschächten, Leitungen und Technikräumen. Erst muss alles an und ins Haus gebracht werden, dann zu jeder Etage, jeder Wohneinheit, jedem Zimmer, jeder Steckdose, jedem Wasserhahn, jedem Abfluss. Stell dir diesen ganzen Prozess einmal vor. Es scheint fast unglaublich.
Jedes Hochhaus ist eine komplexe, gut durchdachte, Meisterleistung – oder?

Wenn dann alle Bewohner nach getaner Arbeit nachhause kommen, Fahrstuhl fahren, kochen, duschen, baden, Wäsche waschen, Unterhaltungselektronik nutzen, putzen, Müll entsorgen, Licht anhaben – da ist richtig was los im Haus, in allen Leitungen!

Stell dir nun vor, in der Wasserversorgung sind ein paar Leitungsabschnitte nicht korrekt verlegt worden und haben sich aus der Verankerung in der Wand eines Versorgungsschachts gelöst. Durch das Eigengewicht und den inneren Druck sind sie mit der Zeit ein wenig aus ihrer Form geraten. Und das nicht ohne Konsequenzen für den Wasserdruck in der Leitung. Lange Zeit merkt noch kein Bewohner eine Veränderung beim Öffnen eines Wasserhahns. Aber stell dir in Eigenregie vor, was alles möglich ist…

Wie wäre es mit zu wenig Druck: Wasser kommt nicht mehr oben an.
Oder mit zu hohem Druck: Leitungen können platzen und kein Wasser kommt mehr oben an – dafür fließt es in E-Technikräume, der Fahrstuhl fällt aus, die Wände werden nass. Du merkst, es kann ein richtiger Action-Thriller werden.

Lass uns noch einen weiteren Schritt gehen: Hast du noch aus dem Biologie-Buch die Abbildungen zu unseren Organen in Erinnerung? Zu den Adern und Venen? Zu unserem Nervensystem? Unseren Muskeln? Unserem Skelett?
Die schematischen Zeichnungen dazu sahen für mich schon immer wie Versorgungssysteme eines Hochhauses aus. Jedes einzelne Versorgungselement in einer anderen Farbe dargestellt. Das Faszinierende daran: Je mehr es ins Detail geht, umso mehr tun sich immer wieder neue, komplexe und sich gegenseitig beeinflussende Strukturen auf.
Als Beispiel dafür nehmen wir nicht wieder den oben erwähnten Wasserdruck, sondern unseren Blutdruck. Durch was auch immer er aus dem Gleichgewicht geraten sein kann, es hat Auswirkungen auf die Adern und Venen an sich, auf den Stoffwechsel, die Atmung, die Bewegungsfähigkeit und, und, und. Schon wieder könnt ihr euch einen Action-Thriller ausmalen. Müsst es aber nicht.

Zu guter Letzt: Ein Hochhaus ist etwas völlig anderes als du und ich. Wir können uns selbst aktiv zu unseren Ver- und Entsorgungssystemen verhalten. Sie reagieren qualitativ auf unsere Art zu leben, passen sich im Guten wie im Schlechten an. Es liegt in unserer eigenen Verantwortung unseren Bauplan zu kennen und zu verstehen.

→ für ein generelles Verständnis der hochkomplexen, in uns ablaufenden Vorgänge: Stell dir ein in sich gut funktionierendes Hochhaus mit all seinen Bewohnern und ihren vielen, gleichzeitig laufenden Aktivitäten vor. Und vielleicht auch, was all die Bewohner dafür tun können, um lange und komfortabel darin zu wohnen.

(C) Grit Silke Thieme