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#25 – Bilde deinen Körper – nicht nur deinen Kopf

Für das Wort bilden könnte ich auch alternativ formen, gestalten, modellieren, hervorbringen, schaffen, entstehen lassen, ausbilden, entfalten, entwickeln, erziehen oder zur Entfaltung bringen verwenden.

All diese Worte stehen für mich im Gegensatz zu den heute üblicherweise für körperliche Betätigung verwendeten Worten: Sport, Fitness, Training. Diese sind immer zielorientiert und dienen – mehr oder weniger bewusst – der Selbstoptimierung und Effizienz.
Körperbildung ist auch zielorientiert, dient aber weder der Effizienz noch der Selbstoptimierung – der Ansatz folgt der Idee von Freude an der eigenen Entfaltung, am eigenen Wachstum in der Qualität einer Bewegung und im Bewegungsausdruck im Alltag. Das heißt nicht, dass Sport, Fitness und Training nicht zu Wachstum und veränderter Bewegungsqualität führen – nur geht es dort eher um Trainingspläne, Zahlen und messbare Verbesserungen auf dem Weg zu einem konkreten Ziel.

Bei der Ausbildung des eigenen Körpers geht es um das Ausloten der eigenen (Bewegungs-)Grenzen und der staunenden Arbeit an diesen. Das braucht einen gut gebildeten Kopf, um die eigenen Grenzen zu sehen und akzeptieren zu können. Es braucht auch Mut, sich auf die fordernde Arbeit einzulassen.
Typischerweise beschäftigen wir uns erst mit den Grenzen unserer Beweglichkeit bei auftretenden Schmerzen und Beeinträchtigungen. Startpunkt ist oft ein Arztbesuch und die Hoffnung „das wird schon wieder“. Entweder mit Medikamenten oder Facharztbesuchen, bildgebenden Verfahren und medizinischen Behandlungen. Wenn da dann kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wird, sind die Betroffenen oftmals wirklich bereit, selbst die Verantwortung für sich zu übernehmen, sich auf den langen Weg der Körperbildung einzulassen.

Doch warum sollen andere etwas in Ordnung bringen, was man selbst „verzapft“ hat? Können die das überhaupt? Will ich das? Diese Fragen stehen am Beginn der Reise zur Bildung des eigenen Körpers. Oftmals liegen dann schon etliche gut bewegte Lebensjahre hinter einem – meist mit Sport und Fitness.

Was meint es nun genau mit der Körperbildung?
Nehmen wir eine der Basic-Übungen, an der man viele Jahre ohne jedes Gerät arbeiten und Veränderungen erzielen kann. Ich nenne sie „Kran“.
Plane bitte 10 Minuten ein. Neustarter versuchen bitte, mindestens fünf Minuten „dranzubleiben“. Du brauchst auf dem Boden Platz, um dich abzulegen. Finde selbst heraus, ob du eine Unterlage für deinen Komfort benötigst.

Bewegungsexperiment: Kran


Lege dich mit dem Rücken auf den Boden.
Stelle die ausgesteckten Beine nacheinander an.
Je näher die Fersen am Po stehen, desto leichter wird die Übung.


Habe die Füße hüftschmal stehen.
Beginne mit einem Bein, das andere ist erst nach Übungsende dieses Beines dran.
Schiebe ein Knie nach vorn schräg oben in Richtung des Fusses. Der Fuß bleibt an seinem Platz.


Lasse das Knie die Führung, die Aktivität übernehmen.
Der Oberschenkel – mit all seinen 27 Muskeln – das Becken, die Hüfte bleiben passiv liegen.
Das aktive Knie ruft Bewegung in Oberschenkel, im Hüftgelenk, im Becken, der Wirbelsäule ab.


Hast du es ausprobiert? War es leicht? Wenn ja, dann ist es nicht richtig. Leider.
Der typische Fehler:Der Oberschenkel soll nicht als eine kompakte Gruppe arbeiten, was ja sofort die Hüfte mit bewegt. Was hier wirklich in dir gesucht werden soll: die Anspannung aller Oberschenkelmuskeln und folgend der Hüfte sein zu lassen, und Faser für Faser auszudifferenzieren, wer arbeitet? Wer klemmt? Wer gleitet schon?

Wenn du einen Zipfel dieser „Loslassen-Qualität“ finden kannst, dann bekommst du einen ersten Eindruck von elastischer, fließender Körperkraft, die eine Beweglichkeit und „range of movement“ zulässt, in welchem dein Körper für dich arbeitet, sich bewegt – statt du ihn.


Also erneut auf Start und dasselbe Bein nochmal – für spielerische fünf Minuten.
Danach stehe vorsichtig auf und nach gutem Stehgefühl laufe ein paar Schritte. Hanghuhn-Gefahr!
Lege dich hin, nun ist das andere Bei dran – beginne wieder oben am Anfang.


Diese Übung kann bis zu den Kopfgelenken hinauf Wirkung zeigen, ja sogar bis tief in den Kopf hinein. Ich experimentiere schon über fünfundzwanzig Jahre an diesem „in-mir-abhängen“. Es wird immer feiner und feiner, hat irgendwann sein Spiel mit der Ein- und Ausatmung begonnen. Mittlerweile reagiert die Fußsohle (also die drei Ebenen der Plantarfaszie) auf die Bewegungseinleitung des Knies während die Atembewegung (Ein- und Ausatmen lassen durch Lungenausdehnung/-einsinken eine Wellenbewegung im entspannten Gewebe entstehen) gleichzeitig die gleichen Stellen berührt.

(C) Grit Silke Thieme