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#24 – Gehen, Stehen, Laufen – ist doch ganz einfach. Oder?

Auf den ersten Blick ist es ganz einfach – zumindest für jeden, der zwei funktionstüchtige Beine hat. Bei genauerem Hinsehen fallen mir etliche Worte mehr als Gehen, Stehen und Laufen zu den in der Öffentlichkeit zu sehenden Körperhaltungen ein. Da wären Schlurfen, Nachziehen, unrund laufen, anhängen, gebeugt sein, humpeln, steife Knie, feste Hüfte und noch viele mehr. Was in meinen Augen viel zu oft fehlt: schlendern, hüpfen, tanzen, entspannt laufen, federnde Bewegung, elegant-kraftvoll ausschreitend.

Lasst uns daher über ein Thema reden, das selten benannt wird. Wenn das im Kopf verarbeitet ist, dann beginnt einiges, runder zu laufen.
Lordosen und Kyphosen, das sind die zwei mehrfach vorkommenden Wunderdinge in unserem Körper, die dir helfen, entspannt aufrecht zu sein.
Klassischerweise benennen die beiden Worte die natürliche Krümmung der Wirbelsäule. Lordosen sind die nach vorn gewölbten Hals- und Lendenwirbelsäulenbereiche, Kyphose ist die nach hinten gewölbte Brustwirbelsäule.

So weit, so gut. Wenn wir jetzt diesen natürlichen Schwung der Wirbelsäule – Hals nach vorn, Brust nach hinten, Lendenbereich nach vorn – nicht nur auf die Wirbelsäule anwenden, ergibt sich ein Bild wie unten am Artikelende zu sehen. Das habe ich am Wochenende im Kurs „Bewegungswerkstatt: Gehen. Stehen. Laufen.“ schnell gezeichnet, um sichtbar zu machen, wie die Mechanik des Aufrichtens aus den Füßen geht. Ein wenig vergleichbar ist dies mit der Bewegung einer Schlange, die sich nicht als langer, angespannter Stock vorwärts bewegt, sondern sich auf dem Boden schlängelt. Wir tun das nicht am Boden, sondern richten uns in dieser Art mit einer etwas anderen Anatomie (Beine, Füße) in die Höhe auf. Schaut bitte spätestens jetzt nach unten auf die Skizze!

Nach dem Blick auf die Skizze behaupte ich jetzt: Wir schlängeln uns im Lauf unseres Lebens in die Höhe. Das passiert durch die muskuläre Aktivierung der bereits in uns angelegten vor- und rückschwingenden Strukturen. Alle sind bei der Geburt angelegt, müssen aber mit Aktivität „gefüttert“ werden und führen nach nur Liegen über den Kopf auf ein interessantes Geräusch ausrichten zu ersten Kopfdrehungen/-hebungen, gefolgt von kriechen, krabbeln und ersten Gehversuchen. Die Aktivierung der 6. Lordose zwischen Fußballen und Zehen ist die letzte Aktivierung, die zu echter, entspannter Aufrichtung führt – von dort wird das ganze Brustbein supportet und der Kopf kann sich dann erst über die Kopfgrundgelenke und Atlas „on top“ auf die Wirbelsäule setzen.

Die letzte Stufe der Aufrichtung – eben jene Aktivierung der Zehen vor dem letzten Zehenglied – ist bei den meisten Menschen, die ich laufen sehe, nicht verwirklicht. Das geht einher mit allen Haltekonsequenzen im Köper für die ca. 7 kg Kopfgewicht, die dann nicht in der Achse liegen, also aus der Schlangenlinie (oft nach vorn) rausfallen. Mit der Konsequenz, dass alle Muskeln, die nun Haltearbeit verrichten müssen, die gesamte Schlangenlinie kollabieren lassen. Die individuellen Ersatzhaltemuster sind sehr unterschiedlich, machen alle gehen, stehen und laufen echt anstrengend.

Ich hoffe, ihr könnt euch in die ‚Schlange‘ hineinfühlen. Wer mehr dazu wissen oder unter meiner Anleitung und Korrektur in die Praxis einsteigen will, der Kurs kommt nächstes Jahr erneut! Für die diesjährigen Kursteilnehmer – wie gewünscht, unten ist die Skizze zu eurer Erinnerung.

(C) Grit Silke Thieme