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#22 – The rhythm is lost, not the movement

„Der Rhythmus ist verloren, nicht die Bewegung (Beweglichkeit)“ – für mich der wichtigste Satz eines Lehrers in all meinen Ausbildungen.

Das ist für mich jedes Mal, in jeder Einheit wieder, der Schlüsselmoment für das „finde den Fehler“ im System und bei der Frage: Was ist als Nächstes zu tun? Beim Blick auf das Ganze genauso wie beim folgenden Zoomen ins Detail und wieder zurück aufs Ganze um dann wieder in ein anderes Detail zu zoomen. Wer macht am meisten nicht mit? Wer hat schon aufgeholt und stolpert noch ein wenig, ist aber schon viel besser dabei? Wo hängt es noch?
Praktisch würde ich mir dann Fragen stellen wie zum Beispiel: Läuft das Bein in allen Gelenken? Lässt sich ein Gelenk von den anderen oder dem Gewebe herum nur mitnehmen und pausiert? Was ist mit dem Bauch über dem Bein, bewegt der sich mit? Hält er? Wenn ja, wer hält? Organe? Bänder? Faszie? Muskulatur? Knochenstruktur? Wer trödelt rum? Wer rennt vorn? Wer lässt die Nachbarn arbeiten?

Rhythmus ist, ganz einfach gesprochen, regelmäßige Wiederkehr und gleichmäßiger Wechsel während eines zeitlichen Verlaufs. Bekannt vor allem aus der Musik, verwenden wir diesen Gedanken im Sinne von „nicht rund laufen“ auch bei anderen komplexeren Abläufen, z.B. in Getrieben, mechanischen Uhrwerken oder umgangssprachlich für atypische Verhaltensweisen.

Wenn uns Menschen etwas weh tut, schmerzt, klemmt, drückt oder piekst – also nicht so funktioniert, wie wir es erwarten oder gern hätten, denken wir in Kategorien: abgenutzt, geprellt, überanstrengt, eingefroren, geklemmt oder taub. Das beziehen wir dann auf einen mehr weniger gut definierten Körperteil. Wir hoffen auf jemanden, der helfen kann, diesem Teil wieder zu besserem Funktionieren zu verhelfen. Wir suchen Rat und Tat bei Ärzten, Heilpraktikern, Heilern.

Jener oben erwähnte Lehrer – ein brillant schlagzeugspielender, zutiefst von Rhythmusgefühl durchdrungener Experte – schulte unsere Wahrnehmung in Auge, Ohr und Körper für Rhythmus, Rhythmenwechsel und ausbleibende, fehlende Rhythmik. Lies uns in der Gruppe eine Stunde vor Unterrichtsbeginn freiwillig im Beat und Offbeat bewegen. In allen nur körperlich machbaren Schlagfrequenzen. Das hat mir, die ich große Probleme hatte, mich genau auf dem Punkt oder eben zwischen den Punkten zu bewegen, viel Frust und großen praktischen Lernstoff gegeben. Mein Empfinden und Fließen für und mit Rhythmen, deren Stolpern, klemmen, nicht können, im eigenen Körper enorm geprägt. Meinen Augen beim Beobachten der Mitschüler die „Fehler“ im Flow zu sehen gelehrt. Rückblickend nenne ich es „die Schule der Schulen“ meines Lebens.

→ Fast immer ist es nicht wirklich der Teil, der uns weh tut, den wir als Problem benennen, das ursächliche Problem. Meist ist lange vorher schon ein Teil des komplexen Systems „ausgestiegen, trödelt oder rennt, ist aus dem gemeinsamen rhythmischen Miteinander unseres Körpers gefallen. Etliche muskuläre, knöcherne, organische oder bindegewebige Nachbarn versuchen schon lange, die Störung im Ablauf des Miteinanders zu supporten, zu helfen, machen mehr, in anderem Tempo bringen das System immer weiter vom „rund laufen“ weg. Was ein Gutes hat: Unser intelligenter Körper kann sich in bestimmten Belangen erstmal gut selbst helfen. Wenn die Hilfe aber dauerhaft zu leisten ist, dann gerät über die Zeit das ganze System in Mitleidenschaft.

(c) Grit Silke Thieme