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#32 – Mit innerem Frieden leben, auch wenn es scheint „die“ Welt geht unter

Ohne jede Frage, wir leben in weltweit anspruchsvollen, transformativen Zeiten. Vor allem in Deutschland haben wir nach ruhigen Jahren des Verschlafens der Innovation und Instandhaltung nun dauerhaft chaotischen Streit um das Aufholen der verpassten Chancen der Vergangenheit – statt den Status quo zu erfassen, anzusehen, zu akzeptieren und von dort aus loszugehen.

Vor allem in der Vorweihnachtszeit, einer eher mit Ruhe und innerer Einkehr in Natur und Mensch verbundenen Zeit, scheint „die Welt“ sich noch schneller, fast schon hektisch, zu drehen.
Eine alte Kundin sagte vor einigen Tagen zu mir: „Ach wissen Sie, früher war im Oktober das Laub runter und weggefegt, im November war dann viel Zeit und Ruhe und im Dezember hat man beim Stollen- und Plätzchenbacken angefangen, im Kopf die Pläne für die Gartenaussaat im Frühjahr zu machen. Heute fällt das Laub bis Weihnachten und man hat die ganze Zeit damit zu tun. Zwischendrin gibt es schon Schnee und die Blätter fallen auf den Schnee. Das ist doch total verrückt, oder? Ständig muss man auf Achse sein“, sprach die 91-Jährige.
Meine ersten Sätze darauf waren: „Ja, und es gibt bei 35 Grad im August die ersten Pfefferkuchen zu kaufen. Stellen Sie sich vor, Sie sind noch ein Kind und kennen es nicht anders. Da ist es völlig normal im August Pfefferkuchen kaufen zu können. Da hilft es nicht, an den Geschäften und Geschäftsleuten rumzunörgeln. Sie sagen ja selbst, die klassischen Jahresrhythmen sind auch in der Natur nicht mehr vorhanden – damit machen auch viele traditionelle Gepflogenheiten keinen offensichtlichen Sinn mehr. Verrückte Welt, da haben sie im wahrsten Wortsinn Recht.“

Am Ende fanden wir über einen längeren Austausch und zauberhafte alte Geschichten den Konsens: Herzlichkeit dem Leben gegenüber, sich selbst treu und der Welt sowie anderen gegenüber offenzubleiben, sich gegenseitig zuzuhören, wirklich in gelebten Kontakt miteinander kommen, das ist eine tragfähige Einstellung. Denn dann gibt es keine Welt mehr, weil wir die Welt sind, sie zu dem machen, was sie ist. Mit unserem täglichen Denken und Tun. Mit der erzählten Geschichte für die August-Pfefferkuchenkäufer: Wissen Sie, als ich noch Kind war, war ein Pfefferkuchen eine ganz auserlesene Süßigkeit, etwas Besonderes, was nur zu Weihnachten gab. Die edlen und wohlschmeckenden Zutaten waren sehr teuer und nahrhaft. Genau richtig für die dunkle, kalte Jahreszeit, in der es kaum noch Frisches aus dem Garten gab. Wenn es dann Dezember wurde und die Weihnachtsbäckerei begann, da war er der Zauber, die Gerüche, die Vorfreude.
Und nicht zuletzt braucht es die Gegenfrage: „Was macht für Sie diesen Zauber aus? Was ist das Besondere für Sie, an den dunklen Tagen um die Weihnachtszeit? Können sie mir da bitte ein Update erzählen?“ -„Ich kenne es nur, wie ich es eben kenne. Verstehe die heutige Zeit nicht mehr.“

→ Wir sind mehr als ein physischer Körper, der steht wo er steht. Er kann sich bewegen, auf andere zu oder ins Einigeln, weil früher alles besser war. Oder eben einfach nur vertrauter, für den, der da lebte und seine Routinen gebildet hat. Am Ende werden wir Menschen immer älter und es leben immer mehr Generationen mit oder nebeneinander – in einer sich schnell verändernden Welt. Mögen die vielen, vielen Familientreffen zu Weihnachten zu einem wechselseitigem Geschichtenerzählevent aller Generationen werden!

(C) Grit Silke Thieme