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#18 – Zu meinen Bewegungs-Experimenten: Nicht tun sondern lassen ist das Geheimnis

Den Faden des Bewegungsexperimets letzter Woche noch einmal aufnehmend, lasst uns über das große Geheimnis dieser und aller weiteren „Übungen“ reden.
Das große Wunder der Wirksamkeit dieser Arbeit hat einen ganz kurzen Namen und ist in der heutigen Welt wirklich rar geworden. Es ist ein physikalischer Faktor, der sich seit Jahrmillionen nicht verändert hat und – wieder jeder Logik – zu einem sehr knappen Faktor geworden ist.

Er hat nichts mit Aktivität zu tun – auch nichts mit reiner Passivität. Es ist die Qualität, die entscheidet, wie wir ZEIT empfinden, wahrnehmen.
Wenn ihr immer zu viel auf der To-Do-Agenda habt, ist immer ein hoher Grundtonus – also eine hohe Anspannung – vorprogrammiert. Für die Bereitstellung dieser (wahrscheinlich zu hohen) Aktivitätsspannung verbraucht unser Körper recht viel Energie, die in dauerhafter Haltearbeit einzelner Gelenke, Muskeln und Faszienbestandteilen verschiedenster Körperbereiche mündet. Doch wir nehmen diese Haltearbeit nicht wirklich wahr, da wir ja glauben, es so zu brauchen und ohne nicht zu schaffen. Das alles mündet dann irgendwann in eingeschränkter Beweglichkeit und den typischerweise folgenden Verspannungen bis hin zu beginnenden Schmerzen.

Das können wir dann das Altern nennen und hinnehmen lernen, uns mit medizinischen Hilfsmitteln weiter im alten Spannungsmodus halten.
Oder uns auf den Weg machen, unseren eigenen Spannungsmustern auf die Schliche zu kommen. Lernen, sie loszulassen und mit der Entspannung zu leben – auch wenn das im ersten Moment unmöglich scheint. Wie soll das zu Tuende denn sonst geschafft werden, wenn ich es nicht tue?

Genau da setzen die Experimente an. Die Lösung – welch tolles Wort an dieser Stelle – liegt im körperlichen loslassen. Sich Zeit geben, in sich hinein zu schmelzen – sich nicht für seine Aufgabenliste anzuspannen.
Wirklich in sich zu spüren, dass ich ständig irgendwen anspanne, um die anstehende Aufgabe zu lösen. Und dass dies die gesamte Körperanspannung nur noch weiter verstärkt. Sowohl bei den Aufgaben der To-Do-Liste als auch in den Bewegungsexperimenten – deine körperlichen Reaktionen sind oftmals die gleichen oder gar die selben! Es sind gut gelernte und eingeschliffene Reaktionsketten, über Jahre kultiviert und verfeinert. Ach wie schön haben es doch die Kinder, so unbeschwert. Ja, stimmt und nein, stimmt nicht. Ein Kind reagiert noch nicht mit den fein ausgearbeiteten Routinen – die erarbeitet es sich erst mit den Jahren. Genau wie Du.

Du kannst lernen, wahrzunehmen, wer alles in dir in sofortiger Anspannung ist, sobald du an das viele zu tun denkst. Und du kannst lernen, die zu erledigende Liste in Frieden bei dir zu haben und zu lernen, nein, die Welt geht nicht unter, wenn nicht alles abgearbeitet ist.
Die Aufgaben warten auf euch, versprochen! Und es klingt wie Zauberei, nach einer Experimentiereinheit ist man voller Elan und Kraft, kann sich der nächsten Aufgabe völlig erfrischt widmen. Ein Denken an die ganze „offene“ Liste würde jedoch wieder zum Systemabsturz durch Überforderung führen. Also, ein Schritt nach dem anderen, mit Pausen zum Regenerieren des Systems.

Pausen. Noch so ein anachronistisches Wort, das an dieser Stelle aber Sinn stiftet. Was ist die Qualität einer Pause? Schnell ein paar Telefonate nebenbei? Noch schnell dies oder das besorgen, ehe die Arbeit weitergeht? Das ist keine Pause für unser Nervensystem, da findet kein Entspannen und erst recht keine neue Energiebereitstellung statt. Wer möchte, kann es mit einem der Bewegungs-Experimente in der Pause versuchen. Am besten vor dem Essen. Da ist euer System dann gut auf Nahrungsaufnahme und Verdauung vorbereitet.

So, und was ist nun das oben angekündigte große Geheimnis des Experiments/der Experimente? Ganz einfach: jede einzelne Übung kann immer wieder getan werden. Beim Wiederholen wirst du dasselbe Wohlbehagen plus noch etwas Neues finden. Du wirst als anderer Mensch in das Experiment einsteigen, mit den bereits gemachten Erfahrungen, dein Körper wird mit neuer Tiefe antworten – keine mechanische Wiederholung, es werden frische sensorische Antworten kommen. Jedes Mal wieder.

→ Die Qualität der Zeit während der Übungen könnte man gut mit wohltuendem Müßiggang für sich selbst beschreiben. Es ist kein gedankliches Wegdriften, kein abwarten, bis die Übungszeit rum ist, um in die vielen noch zu erledigenden To Do’s des Tages zu springen. Es ist ein tiefes Loslassen der unbewussten Anspannungen, eine Erfrischung, die uns wieder klarer denken und bewegen lässt – jenseits unserer eingefahrenen Muster.

(C) Grit Silke Thieme